DIE ERSTE KRAFTPROBE

DIE ERSTE KRAFTPROBE

Ihre erste Kraftprobe bestand die Katz zu Anfang des – Dreißigjährigen Krieges bei der gewaltigen Belagerung von 1626, die von dem kurkölnischen Marschall Obrist Johann von der Hövelich im Verein mit zwei Regimentern Spanier unter dem Befehl von General Wilhelm Verdugo unternommen wurde. Die Veranlassung war der im Gefolge des Marburger Erbfolgestreites zwischen den Häusern Hessen-Kassel und Hessen-Darmstadt entbrannte Kampf, bei dem der Reichshofrat zu Gunsten von Darmstadt entschieden und der Kaiser den kölnischen Kurfürst-Erzbischof Ferdinand zum Vollstreckungsbevollmächtigten ernannt hatte, mit der Weisung, die Festen Rheinfels und Katz dem Kasseler mit Gewalt zu entreißen.

Die 33-tägige Belagerung – sie dauerte vom 21. Juli bis 24. August 1626 – war eines der bedeutensten kriegerischen Ereignisse, den der Rheinstrom bis dahin erlebt hatte. Denn die Kommandanten der beiden Burgen, Obristleutnant Johann von Uffeln auf Rheinfels und Hauptmann Dietrich Suale auf der Katz, waren Kriegsmänner mit harter Stirn und unbeugsamen Willen, gegen die selbst die kriegsgewohnten Spanier vergeblich anrannten. Und der Geist der Führer war auf ihre Leute übergegangen, die wie die Löwen kämpften.

Bei den im Marburger Schloßarchiv befindlichen Kriegsakten von 1626 liegt ein Blatt, von der Hand des Katzenkommandanten geschrieben und an den Landgrafen Moritz von Hessen-Kassel gerichtet, ein vergilbtes Stück Papier, dem man ansieht, daß es in der Eile, in der letzten Minute, als der Feind schon vor den Toren stand, aus irgend einem Heft herausgerissen und bekritzelt wurde, damit es ein Eilkurier nach Kassel bringe. Trotz seiner wenigen Zeilen ein ergreifendes Stück Geschichte. Es heißt darin, soweit die verblaßte Kritzelschrift entzifferbar:

„Durch Boten werden Ew. Fürstliche Durchlaucht alle Umstände mündlich vernehmen. Hoffe zu Gott, treulich zu dienen bis in den Tod …. Wäre dringend nötig, daß Ew. Fürstliche Durchlaucht Succurs schicken. Der Allerhöchste wolle Ew. Fürstliche Durchlaucht ein langes friedliches Leben und glückliche fürstliche Wohlstand verleihen ! Amen ! Datum aus Neu-Katzenelnbogen, 18. Julius 1626

Ew. F. D. untertänigster treuer Diener
Diedrich Suale“

Kürzer und energischer schrieb zwei Tage später der Kommandant von Rheinfels an den Landgrafen:

„Tue Euch den redlichen Bericht, daß das spanische, darmstädtische und anderes Volk in vollem Anzug mit den Stücken anmarschiert….. Ich habe nun nicht mehr Zeit, die Feder zu gebrauchen, sondern wir müssen den langen Spieß zur Hand nehmen.”

Die Not wurde groß, denn nicht weniger als 8000 Mann hatte der Feind aufgeboten, während die Besatzung von Rheinfels nur 2000 Mann und die der Katz das winzige Häuflein von 86 Mann betrug. An Geschützen hatten die Belagerer sechs Batterien aufgefahren: die erste sechs 24 Pfünder- auf dem St. Goarer Wackenberg, von wo sie gleichzeitig die Katz beschießen konnte, die zweite- ebenfalls sechs 24 Pfünder— auf der Biebernheimer Höhe, die dritte- vier 18 Pfünder- im Biebernheimer Felde westlich von Rheinfels, und die vierte- 4 große Mörser- auf dem Werlauer Berg nördlich von Rheinfels, während die fünfte und sechste Batterie, aus je sechs 24 Pfünder und acht kleineren Geschützen bestehend, auf dem Nocherner Berg und auf der Patersberger Höhe über St. Goarshausen standen. Letztere wird heute noch im Volksmund “Die Batterie” genannt.

Diesen 40 Geschützen standen auf Seiten der Belagerten die gleiche Zahl gegenüber, davon 10 auf der Katz. Am Sonntag, den 6. August 1626 gab es für die Bürgschaft ein schreckensvolles Erwachen. Alle Batterien, hüben und drüben hatten den Kampf eröffnet. Achtzig Feuerschlünde spien ihre totbringenden Geschosse aus. Die Häuser zitterten unter der Wucht der Entladungen. Das ganze Rheintal war ein Flammenkrater. Das Brüllen der Kanonen weckte das Echo in den Bergen. Es war ein grausig Schauspiel. Die geängstigten Bewohner verkrochen sich in den Kellern oder flüchteten in die Kirche zum Beten. Aber selbst das Gotteshaus bot keinen Schutz. Drei 7 pfündige Kugeln, von der Patersberger Höhe geschleudert, schlugen in die St. Goarer Stiftskirche, verwundeten mehrere Bürger und töteten ein junges Mädchen.

Die Katz wurde von zwei Batterien, jener vom Wackenberg und von Patersberg, anhaltend beschossen. Fünfmal führte Verdugo seine Spanier gegen die Burg und fünfmal wurden sie mit blutigen Köpfen zurückgeschlagen. Die Katz hatte die feindliche Batterie auf dem Wackenberg zerfetzt. Über 500 Tote und 900 Verwundete hatte der eine Tag die Belagerer gekostet. Aber auch die Belagerten hatten einen Verlust von 82 Toten und 275 Verwundeten zu beklagen, darunter den wackeren Kommandanten von Rheinfels, Obristleutnant von Uffeln, dem bei dem Ausfalle der linke Arm durch eine Musketenkugel verwundet worden war. Auch den spanischen Anführer, General Verdugo, ereilte einige Tage später sein Geschick. Er stürzte bei einem Sturm auf Rheinfels so unglücklich, daß er nach Kreuznach überführt werden mußte, wo er an den Folgen 1629 starb. Da der Landgraf kein Ersatzheer sandte, ging der ungleiche Kampf noch dreißig Tage in unverminderter Heftigkeit weiter. Schon wiesen beide Burgen gewaltige Verheerungen auf. Eine Reihe von Häusern war von den abirrenden Kugeln beschädigt. Schwer gelitten hatte besonders die Katz. Das Dachwerk des hohen Turmes und die Kommandantenwohnung, von glühenden Kugeln getroffen, waren bis auf das Mauerwerk heruntergebrannt. Der auf drei Monate berechnet gewesene Schießvorrat war aufgebracht. Man war am Ende, aber in deutscher Mannestreue hielt die heldenhafte Besatzung aus. Da, in der entscheidenden Minute, als jeder weitere Widerstand vergeblich schien, traf ein Eilkurier von Kassel ein mit der Weisung, weiteres unnützes Blutvergießen zu vermeiden und die Festen, die doch nur noch Ruinen seien, zu räumen, sofern man den Besatzungen einen ehrenvollen Abzug zugestehe.

„Zu Ende ist der heiße Tag, zu Ende das gewaltige Ringen. Die Kartaunen schweigen. Auf Katz und Rheinfels weht die weiße Fahne. Leise senkt die Nacht sich nieder, hüllt in ihren sanften Fittich die zitternden Städtchen und kühlt mit linder Hand den Kämpfern die Stirn. Auf den Bergen glühen, funkelnden Raubtieraugen gleich, die Lagerfeuer, umwirbelt von den dunklen Rauchsäulen, die klagend aufsteigen von Burg und Tal. Wie eine wunde Löwin, schaut todesgrimmig Trutz-Katz ins schlummermüde Land. Um die zerschossenen Mauern wallt’s wie weiße Rosse, klingt’s wie klirrende Schilder. Aufschauernd rieseln die Efeublätter nieder auf Freund und Feind, raunen ihnen seltsame Runen ins Ohr und winden um die bleichen Schläfen immergrüne Kränze!“

( Aus Jörg Ritzel: “Trutz-Katz“)

Am 3. September 1626 wurde der Friedenspakt geschlossen und tags darauf verließ die Besatzung in allen Ehren “mit lautenden Trommeln, fliegenden Fähnlein, brennenden Lunten und Kugeln im Munde“ den Schauplatz ihrer heldenhaften Taten. Der Rückzug erfolgte über die Patersberger Höhe nach Kassel hin. Von der Besatzung der Katz blieben zwei zurück: Konrad Ambt aus St. Goarshausen, den man “eingelegter Beschwernuß halber” freigegeben hatte und Johann Maurer aus St. Goar, dem ein Arm abgeschossen war. Sieben andere, aus Bornich und Nochern stammend, die offenbar vom Krieg nichts mehr wissen wollten, waren unterwegs zu Nastätten “ausgetrollt” wie’s in dem Kriegsprotokoll heißt, also auf dem Rückweg fahnenflüchtig geworden. Nicht weniger als 300 Tote, die Menge der Verwundeten nicht eingerechnet, hatte der Bruderkrieg die Belagerten gekostet. Der Verlust des Feindes betrug über 1100 Mann.

Quelle: Chronik von Jörg Ritzel

Mit freundlicher Unterstützung des Stadtarchivs St. Goarshausen.